Autor / Illustrator: | Antonia Kühn |
Seitenzahl: | 256 |
Erscheinungsjahr / Verlag: | Reprodukt Berlin 2018 |
ISBN: | 9783956401473 |
Preis: | 24,00 |
Genre: | Comic / Graphic Novel |
Thema: | Familie / Suizid / Trauer / Erinnerung / Kindheit / Jugend / Sterben / Tod |
Zielgruppe: | Büchereigrundstock |
Die Hamburger Illustratorin und Animatorin Antonia Kühn hat im Reprodukt-Verlag mit „Lichtung“ kürzlich ihren ersten Comic vorgelegt. Darin nähert sie sich einer ebenso schwierigen wie wichtigen Frage: Wie geht man um - als Kind, als Erwachsener - mit dem Verlust eines Familienmitglieds.
In der Geschichte, die aus der Perspektive des elfjährigen Paul erzählt, ist es der Freitod der Mutter fünf Jahre zuvor, der die Familie seither vor neue Herausforderungen stellt. Während der Vater versucht, für die Familie finanziell zu sorgen, rebelliert die große Schwester, Paul sieht man auf den durchgängig schwarz-weißen Bleistiftzeichnungen dagegen meist allein - beim Frühstück, auf dem Schulweg, nachts. Die bruchstückhaften Erinnerungen an die Mutter und seine nächtliche Einsamkeit versucht er daher mit Briefen, Fotos und Erinnerungsstücken zu füllen, die ihm und dem/der Leser*in auch immer wieder Hinweise auf die Umstände des Todes liefern.
Die zahlreichen Leerstellen auf der Textoberfläche bilden auf diese Weise all das Unausgesprochene innerhalb der Familie ab. Der Comic selbst kommt teilweise sogar über mehrere Seiten hinweg gänzlich ohne Sprache aus, findet vielmehr eine treffende Dingsprache, die die Emotionen des Elfjährigen bildgewaltig in Szene setzt: Wenn Paul etwa mit seinem Vater zur Erinnerung an den Geburtstag der Mutter Lukullus isst, verwandeln sich dessen parallele Keksschichten, sobald das Wort „Mutter“ fällt, zu schmerzhaften Zickzacklinien, die den gesamten Bildausschnitt einnehmen und die erzählte Zeit für einen Moment zum Stillstand bringen. Das zentrale objektive Korrelat der Gefühlswelt ist indes ein Mobile, das seit Pauls Geburt an der Decke des Kinderzimmers hing und nach einem Umzug von der Mutter kurzerhand zerschnitten und auf neue Fäden gezogen wurde. Die dabei vergessene Figur geistert - mal versteckt, mal offenkundig - durch zahlreiche Panels, Tagträume und Erinnerungen und erinnert den Leser auch immer wieder daran, dass Vergangenes selten wieder exakt rekonstruiert werden kann.
Kühn ist mit ihrem Comicdebüt eine eindrucksvoll sensible und gleichermaßen intensive Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Suizid, Trauer, Erinnerung gelungen.